Achtung, Baustelle!

Gedanken zur Theodizee

 

Diese Stellen helfen nur bedingt weiter.

 

Zwei Verse aus dem 139. Psalm:

"5 Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
6 Solche Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch; ich kann sie nicht
begreifen."

Zunächst einmal: Wie schaut die Hilfe Gottes aus:

Wir Menschen leben in einem ständigen Daseinskampf. Wir müssen essen,
trinken, schlafen, ein Dach über dem Kopf haben, usw., und dafür müssen wir
arbeiten, mühsam einen Beruf erlernen, ...

und Spaß macht die ganze Sache doch vor allem dann, wenn man alles aus
einer lebensfrohen und -bejahenden, aus einer optimistischen, alle Probleme
enthusiastisch angehenden Einstellung heraus bewältigen und genießen kann.
(Pred. 3,12)

Woher kommt es, daß einer immer Ideen hat, den Optimismus nicht verliert,
und selbst in aussichtsloser Lage, wo rein weltlich gesehen nichts mehr zu
machen ist, doch noch Freude an Kunst, an der Schönheit einer Blume, an
Musik, ja an einer Musik im Inneren seines Herzens finden kann?

Darin zeigt sich mE die Allgenwart und Allmacht, die Liebe Gottes:
- wir können über-_all_  diesen Quell des Guten spüren,
- wir erfahren, wie diese optimistische Lebenseinstellung einen _vieles_
leichter ertragen lässt,
- aber auch, daß diese Macht Gottes _alle_ Lebensbereiche durchdringt und in
einer Weise verändert, die erst einmal schmerzhaft sein kann ("Furcht"
Gottes),
- daß die Freude oder das Verzweifeln an Ihm in _jeder_ Lebenslage
gegenwärtig ist.
Kurz: Gott mischt überall mit. Alles hat eine spirituelle Dimension.

Natürlich ist der Begriff Allmacht unglücklich. Wer ihn wörtlich nimmt,
landet in einer Sackgasse. Wir Gläubigen aber wissen, daß es im Verhältnis
zu Gott weniger um objektives Wissen (s.o."begreifen") geht, sondern um
Erkenntnis, um eine gefühlsmäßige Beziehung zum Transzendenten. Wir
Gläubigen wollen Gott erfahren, wir wollen das Erlebnis. (Der berühmte
Apfel-Baum aus der Paradiesgeschichte müßte so gesehen in der Terminologie
des 139.Psalms eigentlich "Baum des Begreifens" heißen). Vielleicht sollte
man statt vom Allmächtigen lieber vom Allgegenwärtigen reden, oder vom
Allbegleitenden. Aber dann fiele unter den Tisch, daß diese Begleitung die
Lebenskraft und -freude steigert, daß es da eine konkrete Wirkung gibt, Gott
also durchaus "Macht" hat, etwas zum Guten zu beeinflussen. Eigentlich müßte
man ein neues Wort erfinden.

Bedenkt man, was Allmacht mE tatsächlich bedeutet, dann wird schnell klar,
daß die Hilfe Gottes nicht von dieser Welt ist (allen Wundergeschichten zum
Trotz), sondern ein Sonnenschein in unsere Herzen hinein darstellt, der die
uns lebensnotwendigen psychischen Strukturen wachsen läßt.

In dieser Welt gibt es Leiden. Geburt, Alter, Krankheit, Tod. Das ist der
Weg des Lebens. Keiner kommt drumherum. Aber wir können uns dem Leid
stellen, oder uns ihm verweigern. Wir können das Beste draus machen, oder
die Hände phlegmatisch in den Schoß legen. Wir können an Problemen wachsen,
oder an ihnen zerbrechen. Und Gott hilft. Nicht zur Perfektion, aber zum
besseren. Und wenn es nur ein kleines Stück besser mit Gott ist, als ohne,

war ein soches Leben, wenn wir an seinem Ende stehen, dann nicht alle Mühen
wert?

"Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig
Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen;
denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon." (Ps. 90, 10)

Auch in den Mühen und in den Leiden können wir die Gegenwart Gottes erfahren
und spüren. Und wenn einer sagt, das Gute wie das Böse käme von Gott, dann
ist genau dies damit gemeint. Nicht daß er uns die Attentäter schickt oder
gebratene Hähnchen in den Mund fliegen läßt, sondern daß er in Freud und
Leid bei uns ist.

--

Ganz kurz noch zu

Schöpfung: Gott ist bei uns, in allem, was uns umgibt. In allem begegnet uns
Gott, alles ist Gottes, sein Eigentum, die Bibel sagt eben: seine Schöpfung.
(auf die universalistischen Implikationen will ich nicht eingehen)

Hölle: Die ist mMn die Gottverlassenheit. In der Dimension genauso
"ewig", sprich jenseitig oder verschieden von der mit den fünf Sinnen
unmittelbar wahrnehmbaren Dimension unseres Lebens, wie die Hilfe Gottes.
Nicht die zeitlich unbegrenzte und körperliche Qual, sondern das Verpassen
der Freude, die ein religiöses Leben bietet, ist imho gemeint. Allenfalls
noch die "verpaßten" Unannehmlichkeiten, die ein religiöses Leben ja
zweifellos auch mit sich bringt. Davon abgesehen kennt das AT die Hölle in
der Form noch nicht. Und auch im NT hat sie viel weniger Gewicht, als in
manchen altkirchlichen Lehren.

Zur Hauptseite

Adresse dieser Seite: http://www.ulf-gerkan.de/theodize.htm
erstellt: letzte Änderung: 21.03.2002